Wir lassen uns nicht einschüchtern! – GRÜNE JUGEND RLP für einen fairen Umgang mit DemonstrantInnen
Beschlossen auf der Landesmitgliederversammlung im Frühjahr 2007 in Kaiserslautern.
Weshalb demonstrieren?
Demonstrationen bilden einen Grundpfeiler unserer Demokratie. Sie sind durch die Versammlungsfreiheit in Art. 8 des Grundgesetzes und in Art. 11 der europäischen Menschenrechtskonventionen geschützt.
Demonstrationen werden benötigt, um Aufmerksamkeit für Themen und Probleme zu erzeugen, die nach Meinung der DemonstrantInnen von Politik und/oder Medien nicht hinreichend oder falsch aufgegriffen werden. Außerdem können sich so auch Minderheiten Gehör verschaffen.
Für die GRÜNE JUGEND RLP ist der Besuch bzw. die Organisation von Demonstrationen ein wichtiger Teil ihrer politischen Arbeit. Sie beteiligt sich unter anderem an Demonstrationen für Tierrechte, für eine friedliche Welt, für eine gerechtere Globalisierung, für mehr Umweltschutz und gegen Castortransporte und Atomkraftwerke, für ein menschenwürdiges Asylrecht und gegen Abschiebeknäste, für ein solidarisches Bildungssystem, mehr Hochschulmittel und gegen Studiengebühren sowie an Gegendemonstrationen bei Neonazi-Aufmärschen.
In einigen Fällen unterstützt die GRÜNE JUGEND RLP auch sog. Aktionen zivilen Ungehorsams, wie Blockaden von Straßen und Schienen bei Atommülltransporten oder Naziaufmärschen. Wir unterstützen nur Aktionen, die frei von Gewalt ablaufen sollen.
Bei den Protesten gegen Studiengebühren trägt die GRÜNE JUGEND RLP die seit 2006 stattfindende Eskalation durch die Studierendenbewegung mit. Die Großdemonstrationen 2005 hatten wenig bis keinen Einfluss auf Politik und Medien. Daher erachten wir Verkehrsblockaden, Rektoratsbesetzungen und ähnliches als legitimes Mittel, um auf die Botschaft des studentischen Protests aufmerksam zu machen.
Bei Neonaziaufmärschen ruft die GRÜNE JUGEND RLP zu deren Blockade auf. Faschisten, die den Grundkonsens der Demokratie aufgekündigt haben, haben moralisch nicht das Recht, genau jene demokratischen Rechte, die sie abschaffen wollen, wie zum Beispiel die Demonstrationsfreiheit, widerstandslos für sich zu reklamieren. Die GRÜNE JUGEND RLP nimmt die zunehmend größere Gefahr von rechtsradikalen Strömungen wahr. Traditionen des Faschismus wie Sozialmasochismus bzw. Sadismus, Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus und Rassismus fallen in allen Ländern, insbesondere in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Faschistische Agitationen in der Öffentlichkeit sind daher brandgefährlich und müssen verhindert werden. Die GRÜNE JUGEND RLP erkennt die Wichtigkeit von antifa-Gruppierungen für antifaschistische Arbeit an. Dies betrifft insbesondere das Mobilisierungspotential dieser Gruppierungen. Die GRÜNE JUGEND RLP tritt für einen gemeinsamen Protest gegen die Feinde der Demokratie ein und fordert alle anderen Organisation, die sich gegen Nazis engagieren auf, Demonstrationen nicht wegen einer Teilnahme von Antifas zu boykottieren oder zu kriminalisieren.
GRÜNE JUGEND RLP beklagt Polizeirepression
Die GRÜNE JUGEND RLP beklagt die zunehmende Polizeirepression auf Demonstrationen. Die Polizei hält sich auf Demonstrationen wie der Opernballgegendemonstration in Frankfurt, diversen Studiengebührendemonstrationen und vor Allem auf Nazi-Gegendemonstrationen zunehmend weniger an geltende Gesetze zum Schutz von DemonstrantInnen und Gefangenen und setzt zudem unverhältnismäßige Gewalt ein. So wurde die bis dahin friedliche Demonstration anlässlich des Opernballs in Frankfurt 2007 ohne Angabe von Gründen auf der angemeldeten Demonstrationsroute blockiert. Vereinzelte Flaschenwürfe wurden danach zum Vorwand genutzt, gewaltsam mit Schlagstöcken gegen alle DemonstrantInnen vorzugehen. Anschließend wurde der Block der Demonstration, in dem sich die politischen Jugendorganisationen aufhielten (JuSos, ´solid, GRÜNE JUGEND) eingekesselt. Mitglieder der GRÜNEN JUGEND, die gegen kein Gesetz verstoßen hatten, wurden erkennungsdienstlich behandelt und über acht Stunden eingesperrt, bevor sie deutlich nach Mitternacht freigelassen wurden. Die Polizei rechtfertigte die Festnahmen damit, dass von den Mitgliedern der GRÜNEN JUGEND Gewalt hätte ausgehen können (präventive Ingewahrsamnahme).
Das Polizeiverhalten am 1. Mai 2007 bei der Demonstration gegen NPD-Aufmärsche in Raunheim und Rüsselsheim kritisieren wir ebenfalls scharf. Zahlreiche Jugendliche, die gewaltfrei demonstriert hatten, darunter Mitglieder der GRÜNEN JUGEND, wurden wegen Landfriedensbruchs eingesperrt. Vielen Gefangenen wurde der Zugang zu Trinkwasser verweigert. Sie durften nicht mit ihrem Anwalt oder ihren Eltern telefonieren. Besonders die in schwarz gekleidete Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) fiel durch völlig unnötige Gewaltexzesse auf. Auch hier wurde wieder der menschenrechtsverletzende Polizeieinsatz mit einzelnen SteinewerferInnen gerechtfertigt, selbst wenn die Festgenommenen sich 150m von den SteinewerferInnen entfernt aufgehalten hatten.
Die GRÜNE JUGEND fordert Polizei und Innenministerien auf, friedliche antifaschistische Arbeit nicht zu behindern. Des Weiteren fordern wir die PolizistInnen auf, bei Festnahmen so wenig Gewalt wie nötig einzusetzen und die Rechte von Gefangenen zu respektieren. Dies gilt unabhängig von Schuld oder Unschuld der Gefangenen. Mit ihrem willkürlichen Verhalten gefährdet die Polizei nachhaltig unsere Demokratie und zerstört das Vertrauen vieler Menschen in den Rechtsstaat. Unserer Überzeugung nach wird der Rechtsstaat durch die Möglichkeit der präventiven Ingewahrsamnahme schwer beschädigt. Das Prinzip der Unschuldsvermutung wird dabei nicht nur umgekehrt, der/die Beschuldigte muss viel mehr auch noch beweisen, dass sie/er auch in Zukunft keine Straftat verüben wird. Dies ist ein Merkmal eines Polizeistaats, nicht eines demokratischen Rechtsstaats. Wir fordern alle Landesregierungen auf, die entsprechenden gesetzlichen Regelungen abzuschaffen. Die Polizeieinsatzleitung fordern wir auf, keinen Gebrauch von dieser antidemokratischen Regelung zu machen.
Die GRÜNE JUGEND RLP fordert die Polizei außerdem auf, ihre Eskalationsstrategie zu beenden und zu einer Deeskalationsstrategie zurückzukehren. Gerade BereitschaftspolizistInnen müssen geschult werden, ruhig und besonnen zu reagieren, anstatt jede kleinere Gehorsamsverweigerung mit Gewalt zu beantworten. Wir beobachten, dass einzelne PolizistInnen immer wieder versuchen, ihre KollegInnen am Einsatz übermäßiger Gewalt zu hindern und diese zu beruhigen. Die Polizei muss Strategien entwickeln, um dies zu fördern und DemonstrantInnen vor PolizistInnen, die die Nerven verlieren und in einen Gewaltrausch geraten, effektiv zu schützen. Dazu schlagen wir vor, dass eine der Schutzpolizei übergeordnete Behörde die Kameraüberwachung übernimmt und das Videomaterial auf begründete Anfrage hin sowohl der Staatsanwaltschaft als auch Anwälten von DemonstrantInnen zur Verfügung stellen muss. Die Schutzpolizei darf keine eigenen Filmaufnahmen machen. Des Weiteren muss jedeR PolizistIn durch eine gut sichtbare Nummer an Vorder- und Rückseite der Uniform gekennzeichnet sein. Da die PolizistInnen fast immer vermummt auf Demonstrationen auftreten, ist anders die Möglichkeit der Individuellen Strafverfolgung nicht zu gewährleisten.
Wir verurteilen die Polizeistrategie, nicht zwischen friedlichen DemonstrationsteilnehmerInnen und Gewalt Ausübenden zu differenzieren. Diese Taktik führt dazu, dass unzählige Unschuldige aufgrund der Taten weniger Personen verhaftet werden, die nicht notwendigerweise zur Demonstration gehören. Damit wird das Demonstrationsrecht faktisch abgeschafft.
Die GRÜNE JUGEND RLP verurteilt es, dass friedliche Demonstrationen durch einzelne DemonstrantInnen oder durch die Polizei selbst zur gewaltsamen Eskalation gebracht werden, wird sich jedoch aus einer solchen nicht automatisch zurückziehen. Recht darf niemals Unrecht weichen.
Auch die Taktik, DemonstrationsteilnehmerInnen und aufrufende Gruppen schon im Vorfeld von Demonstrationen zu kriminalisieren, kritisieren wir scharf. So wurden am 9. Mai 2007 von knapp 1000 PolizistInnen 40 linke Projekte und Wohnungen durchsucht. Begründet wurden die Durchsuchungen mit §129a StGB (Strafgesetzbuch), dem Verdacht der Gründung von terroristischen Vereinigungen. Es gab jedoch, wie in 98% der Fälle, wenn wegen dieses Paragraphen ermittelt wird, keine Anzeige. Dies belegt, dass der Polizeigroßeinsatz zum Ziel hatte, die linke Szene zu provozieren und die unterstützenswerten Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm zu spalten und so zu schwächen. In der massiven staatlichen Repression gegenüber linksgerichteten Protestbewegungen sehen wir die staatliche Neutralität verletzt. Wir fordern daher die ersatzlose Streichung des §129a StGB!
In letzter Zeit ist ein immer häufigerer Einsatz von Polizeihunden und Polizeipferden zu beobachten. Wir lehnen diese Tierquälerei strikt ab. Man handelt wider die Natur der Tiere, wenn man sie als Waffen abrichtet und einsetzt. Es ist ethisch nicht vertretbar, unschuldige Geschöpfe für solche fragwürdigen Zwecke zu instrumentalisieren. Zudem sind Tiere auf Demonstrationen unberechenbar und können zu schweren Verletzungen führen, gerade da einige HundehalterInnen nicht in der Lage sind, ihr scharf gemachtes Tier unter Kontrolle zu halten. Die GRÜNE JUGEND RLP fordert, alle Hunde- und Pferdestaffeln sofort aufzulösen. Abschließend fordert die GRÜNE JUGEND RLP, dass Pfefferspray und ähnliche Waffen nur in solchen Situationen eingesetzt werden dürfen, in denen die PolizeibeamtInnen ihren Selbstschutz oder den Schutz anderer Menschen nicht anders durchsetzen können. Solche Situationen kommen im Normalfall nicht zustande, auch da die PolizeibeamtInnen durch ihre Ausrüstung derart vor Verletzungen geschützt sind, dass von den unbewaffneten DemonstrantInnen keine Gefahr für sie ausgeht. Maßnahmen, bei denen erhebliche gesundheitliche Schäden der DemonstrationsteilnehmerInnen in Kauf genommen werden, sind daher unverhältnismäßig und nicht zu rechtfertigen.
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