1. Januar 2013

Schule mutig weiterentwickeln



beschlossen auf der 47. Landesmitgliederversammlung

Die GRÜNE JUGEND RLP fordert grundsätzlich, dass die Schule ein Ort zur Entdeckung und Förderung der individuellen Persönlichkeiten wird und von dem momentan herrschenden Ort des Leistungs-, Konkurrrenz- und Arbeitsdruckes wegkommt. Menschen sollen in der Schule zusammengebracht und nicht geteilt werden. Der Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft führt unvermeidlich über inklusive Bildungseinrichtungen, in denen junge und alte Menschen gemeinsam die Gesellschaft von Morgen erfahren und gestalten können.

Verlassen wir das pädagogische Kaiserreich: Lehrer*innen statt Aufseher*innen Die GRÜNE JUGEND RLP möchte das althergebrachte und lebensferne System des Frontalunterrichts ein für alle Mal ablösen. Sie setzt sich für individuelle, von Schüler*innen selbst organisierte Lernphasen ein. In unabhängigen, selbstorganisierten Gruppen sollen Projekte außerhalb der starren Klassenstruktur durchgeführt werden. Während jüngere und ältere Schüler*innen voneinander lernen können, wird durch das eigenverantwortliche Lernen in den Lernzirkeln die Fähigkeit zur Selbstorganisation weitgehend gefördert.

Eine Schule für Alle! Weiterhin fördert ein langes, gemeinsames und inklusives Lernen die sozialen Kompetenzen und die Persönlichkeit sowie den Lernfortschritt der Kinder und Jugendlichen. Es ist eine unhaltbare Situation, dass Kinder nach der 4. Klasse anhand einer Momentaufnahme bewertet werden, wodurch das weitere Leben massiv nachhaltig beeinflusst wird. Wir fordern eine Schule für alle von der 1. bis zur 10. Klasse! Nach Absolvierung der integrierten Gesamtschule soll das Angebot einer Ausbildung oder der freien Oberstufe gegeben werden.

Während praktisch interessierte Menschen eine berufsorientierte Schule besuchen können, soll theoretisch interessierten Menschen die Möglichkeit zu einer wissenschaftsorientierten Schullaufbahn gegeben werden. Alle angebotenen Bildungsabschlüsse müssen in einer uneingeschränkten Hochschulzugangsberechtigung münden.

Abschaffung der Noten Das heutige Bewertungssystem muss in seinen Grundzügen geändert werden. Die Grüne Jugend fordert, dass das Ergebnis eines Feedbackprozesses an die Stelle undifferenzierter Ziffernoten wie im jetzigen System tritt. Dabei sollen Schüler*innen lernen und erproben, sich selbst und andere Schüler*innen und Lehrer*innen reflektiert und in Worten zu bewerten. Anstelle von Zeugnissen soll ein Lernentwicklungsbericht, von dem die*der Schüler*in, in Selbstevaluation entwickelt, vorgeschlagen und mit dem*der Lehrer*in, oder besser noch mehreren, diskutiert und ein Kompromiss zwischen beiden Einschätzungen gefunden werden. Um dies umzusetzen, ist es wichtig, Projekt.- und Portfolioarbeit und das Erlernen von Feedbackkultur auch generell im Unterricht in den Vordergrund treten.

Bewertung in der Schule soll auf Stärken, Schwächen und Wege der Verbesserung explizit hinweisen, anstatt die Einsortierung von Schüler*innen zu unterstützen und Leistungsdruck aufzubauen.

Selbst zusammengestellte Inhalte statt aufgezwungener Fächer Schüler*innen müssen in Zukunft von der ersten Klasse an an der Gestaltung individueller Lehrpläne beteiligt werden und selbst die Schwerpunkte ihrer Unterrichtspläne setzen können. Momentan legen strikte Vorgaben des Bildungsministeriums fest, wann welche Fächer belegt, beziehungsweise unterrichtet werden müssen. Das stupide Herunterbetenvon fragwürdigen Lehrplänen zerstört die Freude und das Interesse am Lernen. Um das zu verhindern, sollen die Schüler*innen selbstbestimmt aus einem Angebot von Inhalten wählen können. Statt dem Fach Biologie gibt es dann beispielsweise die Themen „Ökologie“, „Zoologie“, „Genetik“, „Grundlagen organischer Chemie“. Zudem sollen Schüler*innen auch das Recht zugesprochen bekommen, eigene inhaltliche Ideen im Unterricht etablieren zu können.

Bisher schulfremde Inhalte wie „Rhetorik“, „Medienkompetenz“, „kritische Informatik“ oder „Gebärdensprache“ sollten unterrichtet werden können. So wird auch der Raum für dringend benötigtes, fächerübergreifendes Lernen ermöglicht und neue Inhalte können leichter in das bestehende Bildungskonzept integriert werden.

Die GRÜNE JUGEND RLP fordert, dass der Unterricht die Schüler*innen auf das Leben vorbereiten soll. Das kritische Denken und soziale Kompetenzen sollen gefördert werden. Es gilt, den Horizont der Jugendlichen zu erweitern, globales Denken anzuregen und lokales Handeln zu fördern.

Wir fordern die Möglichkeit zu einem allgemeinen, kritischen Weltanschauungsunterricht, welcher religions- und kulturübergreifend über moralische, philosophische und ethische Theorien aufklären soll. Religionsunterricht ist exklusiv und kann nur als Ergänzung außerhalb des schulischen Rahmens weiter existieren.

Dabei muss eine Neutralität gegenüber allen Weltanschauungen und Religionen durch die / den LehrerIn bestehen. Ethik soll keine Ersatzfach mehr sein und genauso wie alle anderen Fächer nur durch in spezifisch diesem Fach ausgebildeten Lehrkräfte unterrichtet werden.

Absolute Chancengleichheit Ob Schulbuchgebühren, Kinobesuche oder Theaterstücke, zahlreiche schulische Kosten belasten regelmäßig die Familien. Daher fordern wir: Abschaffung aller Gebühren für Kinder und Familien innerhalb des schulischen Rahmens!

Zuletzt wurde eingeführt, dass Schulbücher zukünftig geliehen werden dürfen. Dies ist unterstützenswert, darf jedoch noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Momentan ist der Prozess, bis Schüler*innen das Recht der Schulbuchausleihe zugestanden bekommen schwierig und unübersichtlich. Die GRÜNE JUGEND RLP fordert, dass alle Menschen kostenlos ohne Antragsstellung die Schulbücher zugestanden bekommen.

Zu Chancengleichheit gehört neben kostenlosen Exkursionen, dass zusätzlicher „Nachhilfeunterricht“ überflüssig sein muss. Die Schule ist zum Lernen und zum Entfalten da. Wenn die/der Heranwachsende die Unterrichtsinhalte nicht versteht, kann niemand von der Familie verlangen, teuren Zusatzunterricht zu bezahlen. Stattdessen sollen Zusatz- und Förderkurse von den unterrichtenden Lehrkräften am Nachmittag kostenlos angeboten werden. In kleinen Gruppen muss es möglich sein, während des Unterrichtsgeschehens individuell auf die Bedürfnisse der Schüler*innen eingehen zu können.

Auch müssen sämtliche Zusatzzahlungen wie Papier- oder Kopiergeld völlig abgeschafft werden. Inoffizielle Gebühren zur Teilhabe am Schulleben grenzen finanziell schwächer Gestellte potentiell aus.

Das Sitzenbleiben hat die nötigen Leistungsanforderungen nicht bestanden Kaum ein Land macht es noch und die Wissenschaft ist sich einig. Das Sitzen bleiben kostet viel Geld und nutzt den betroffenen Schüler*innen in den seltensten Fällen. Alsosofort weg damit!

Schubladen auf den Sperrmüll Geschlechterrollen sind noch immer in der Schule verfestigt und eine Sensibilisierung für genderspezifische Themen wird kaum vermittelt. Zudem ist die gesellschaftliche Einteilung in eine Zweigeschlechtlichkeit, die jedem Geschlecht bestimmte Merkmale zuschreibt auch im schulischen Rahmen noch immer alltäglich. Wir müssen die alte Unterscheidung zwischen „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ über Bord werfen, um einfach Mensch zu sein. Sexuelle Orientierungen dürfen in der Schule, so wie im Leben, kein Nachteil sein. Unterrichtsmaterialien und -Inhalte sind nach wie vor dominiert von Heteronormativität, Schwule, Lesben, Bi-, A-, und Transidente werden wenn nur aus einer Problemperspektive heraus behandelt. Wir fordern, dass queere und heterosexuelle Lebenskonzepte auch in der Schule als absolut gleichwertige Möglichkeiten repräsentiert werden.

Daher fordert die GRÜNE JUGEND RLP, dass die Schule keinen Raum für Diskriminierung und Ausgrenzung bieten darf!

Inklusive Schule Bisher wird der Großteil aller Schüler*innen mit Behinderungen und Lernschwächen auf Schulformen abgeschoben, an denen sie verwahrt statt gefördert werden und keine wertigen Schulabschlüsse erwerben dürfen. Seit Deutschland 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet hat, haben all diese Kinder ein einklagbares Recht auf Unterrichtung an einer Regelschule. Der Rechtsweg ist jedoch langwierig und schwierig. Da wir generell keinen Sinn in den alten Verwahrschulen sehen, fordern wir, dass sämtliche Kinder gemeinsam auf einer Schule und in einem Klassenverband barrierefrei lernen. Studien zeigen, dass auch „gesunde“ Kinder vom gemeinsamen Lernen mit „Benachteiligten“ profitieren.

Schon aus rein medizinischen Notwendigkeiten bedeutet dies eine große Herausforderung für die Schulen. Das Land als Träger hat sowohl dafür zu sorgen, dass die Inklusion an allen Schulen finanziell ermöglicht wird und die Schulen mit hohem Inklusionsanteil nicht am Ende benachteiligt werden, als auch, dass das Lehrpersonal entsprechend aus-/ bzw. weitergebildet wird. Aber auch gesonderte Unterrichtsmaterialien, beispielsweise für Menschen mit eingeschränkter Wahrnehmung, müssen selbstverständlich allen Schulen für die optimale Förderung aller Menschen zur Verfügung stehen. Die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens muss das zentrale Ziel bei der Umgestaltung des Schulsystems werden.

Ab heute nichts mehr ohne uns. Verbindliches Vetorecht für Schüler*innenvertretungen! Um die Demokratisierung der Schulen zu beschleunigen, fordern wir ein verbindliches Vetorecht für alle, die Schulen betreffenden Entscheidungen, für Schüler*innenvertretungen. Wir fürchten, dass Schüler*innenselbstorganisation erst dann von Eltern und Lehrern ernst genommen wird, wenn sie auch realen Einfluss auf die Geschehnisse an der Schule hat. Es gibt bereits viele gute und sinnvolle Konzepte für Demokratische Schulen. Als ersten Schritt dorthin fordern wir, dass die Rechte der Schulausschusses ausgebaut werden. Für diesen soll weitere Kompetenzen im Schulgesetz und in der betreffenden Verwaltungsvorschrift festgeschrieben werden.

Dadurch sollen alle wichtige Entscheidungen derSchulgemeinschaft in einem demokratischen Prozess geschlossen werden. Auf lange Sicht soll an die Stelle des Schulausschusses ein Gremium treten, dass sich fast paritätisch aus Schüler*innen und Lehrer*innen zusammensetzt.

Die Schüler*innenschaft soll allerdings eine Stimme mehr erhalten und dadurch eine Art Vetorecht wahrnehmen können.

Freistellung zur Weiterbildung und für politisches Engagement! Seit dem Bildungsfreistellungsgesetz von 1993 haben Arbeitnehmer*innen in Rheinland- Pfalz das Recht auf bezahlte Freistellung der Arbeit zur beruflichen und gesellschaftlichen Weiterbildung. Dies soll nun entsprechend auch für alle Schüler*innen und Auszubildenden gelten! Die GRÜNE JUGEND RLP fordert, dass alle Menschen, ob Werktätige oder Schüler*innen für mindestens 10 Tage pro Jahr freistellen lassen dürfen, um ihr politisches Engagement ausüben zu dürfen und das Recht auf Weiterbildungsmaßnahmen wie Seminare oder Tagungen wahrnehmen dürfen. Außerdem sollen alle sich abseits der Weiterbildungsmaßnahmen immer für Schüler*innenrechte- und die Situation der Schüler*innen in Gremien wie der SV einsetzen und freinehmen können . Außerdem sollen alle Schüler*Innen sich soviel wie nötig für die Arbeit in SVen freinehmen können.

Integration in politische Organisationen und Prozesse ist der einfachste Weg, Politik(er*innen)verdrossenheit zu bekämpfen. Hinzu kommt, dass die Arbeits- und Schulwelt Kompetenzen und Referenzen der/des Einzelnen abverlangt, die innerhalb der Schulzeit oder der Arbeit überhaupt nicht aufgebaut oder intensiviert werden können. Folglich profitieren die Schulen und Arbeitgeber*innen von den Fortbildungen. Wer schnell und gut ausgebildet arbeitet, kann auch produktiv für die Gemeinschaft agieren.

Lehrerevaluation Hat ein*e angehend*e Lehrer*in nachdem Referendariat den Master bestanden, finden bis zur Rente unzureichende Überprüfungen der Unterrichtsgestaltung statt. Kein Unternehmen könnte sich solch ein blindes Vertrauen in seine Mitarbeiter*innen leisten und schon aus wissenschaftlicher Sicht ist es sehr fragwürdig, wenn Lehrer*innen die Wissensstände von vor 30 Jahren unterrichten. Die GRÜNE JUGEND RLP wünscht sich eine regelmäßige kompetente Evaluation der Lehrer*innen mit verbindlicher Empfehlung. Dabei soll es nicht darum gehen, schwache Lehrer*innen unter Leistungsdruck aus dem Schulsystem auszusieben, sondern bestehende Wissenslücken zu schließen und die Unterrichtsqualität zu verbessern.



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