Jugendwahlprogramm zur Landtagswahl 2016
Beschlossen auf der 55. Landesmitgliederversammlung in Ramstein-Miesenbach, 03.10.2015
Präambel
In den letzten fünf Jahren konnten viele GRÜNE Themen in die Landespolitik eingebracht werden. Wir wollen bei der nächsten Wahl dafür sorgen, dass diese Entwicklung in Rheinland-Pfalz anhält und GRÜNE Themen noch besser umgesetzt werden. Dabei wollen wir im Hinblick auf die Programmgestaltung zur Landtagswahl visionäre Triebkraft und ein kritischer Begleiter der politischen Arbeit sein.
Willkommen um zu bleiben: Ohne Rassismus und Faschismus
Wir streiten für eine vielfältige und tolerante Gesellschaft, in der alle gleichgestellt und gleichberechtigt sind, unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Identität, ethnischer Herkunft, Glaube oder Weltanschauung und Behinderung. Wir fordern ein starkes politisches Bekenntnis zu einer inklusiven Gesellschaft, in der Ressentiments, Diskriminierungen und Rassismus keinen Platz haben.
Wir fordern:
- ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
- die Einrichtung und langfristige Finanzierung mehrerer Fachstellen gegen Rechtsextremismus
- Aussteiger*innenprogramme zu fördern
- zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts zu fördern
- Antifaschistische Arbeit nicht zu kriminalisieren
- die Sensibilisierung gegenüber Rassismus und Vorurteilen in der Polizeiausbildung, insbesondere, um dem sogenannten Racial Profiling vorzubeugen
- Wahlrecht für Migrant*innen, die hier mit ihrem Hauptwohnsitz leben
- ein Einwanderungsgesetz auf Bundesebene, dass nicht nur Fachkräften eine Immigration ermöglicht
- Die Ernennung des 08. Mai, als „Tag der Befreiung der Welt von nationalsozialistischer Herrschaft“ zum offiziellen Feiertag in Rheinland-Pfalz
Wilkommen um zu bleiben: Flucht ist kein Verbrechen!
Die menschenverachtende Festung Europa ist schuld am Tod hunderttausender Menschen vor den Grenzen Europas und ihre Mauern sind eine logische Konsequenz der Politik Europas und Deutschlands – wir fordern eine vollständige Reformierung der Asyl- und Migrationspolitik, denn kein Mensch ist illegal!
Wir fordern:
- Bildungs- und Teilhabeangebote auszubauen und besser zu finanzieren. Insbesondere der Zugang zu Sprachunterricht muss von Ankunft an möglich sein
- Förderung ehrenamtlicher Flüchtlingsinitiativen
- die Selbstorganisation von Geflüchteten zu stärken und verbindlich einzubeziehen
- einen guten und kostenlosen Zugang zu psychologischer und psychotherapeutischer Betreuung für Asylsuchende in Erstaufnahmeinrichtungen und den Kommunen
- den Zugang zu Bildungsangeboten an Hochschulen weiter ausbauen
- Kostenlose Gesundheitsversorgung und die Einführung einer Gesundheitskarte
Gleichstellung und LSBATTIQ* (lesbisch, schwul, bi, asexuell, transgender, transsexueller, intersexuelle und queere Menschen)
Wir wollen ein Rheinland-Pfalz, in der das Geschlecht keine bestimmende Kategorie für soziale Zuschreibungen und Chancen in der Gesellschaft ist.
Wir wollen:
- Vielfalt in die Bildungspläne und ein besonderes Augenmerk auf die Situation von queeren Jugendlichen und Trans-/Inter-Personen zu legen
- Behörden für den Umgang mit LSBATTIQ* sensibilisieren
- Einrichtung eines LSBATTIQ*-Landesbeauftragten
- Queere und feministische Kulturzentren im Land fördern
Bildung heißt: Zukunft mitgestalten!
Wir wollen eine zukunftsorientierte Bildungspolitik, die eigenständiges, kritisches Denken fördert. Dafür brauchen wir demokratische und inklusive Schulen, welche den Schüler*innen Mitbestimmung einräumen und allen die gleiche Chance auf einen Abschluss ermöglichen. Gerade die individuelle Förderung ist dabei essentiell, sowie längeres gemeinsames Lernen in Gemeinschaftsschulen. Voneinander und miteinander lernen steht für uns im Mittelpunkt, was vor allem durch fächer- und stufenübergreifenden Unterricht, sowie verstärkten Projektunterricht gefördert werden kann. Dazu sollten unter anderem Projekte zur gendersensiblen Pädagogik und LSBATTIQ*, sowie zur Gewaltfreiheit zählen. Unter GRÜNER Beteiligung an der rheinland-pfälzischen Landesregierung wurden bereits Verbesserungen angestrebt, jedoch sehen wir noch deutliches Potential.
Deshalb fordern wir außerdem:
- die Entwicklung einer Strategie zur massiven Reduzierung des Leistungsdrucks, durch die Abschaffung von Ziffernoten und des Sitzenbleibens. Die Ziffernoten werden durch aussagekräftigere Leistungsbeurteilungen in Textform ersetzt und es müssen verstärkt zielgerichtete Maßnahmen zur individuellen Förderung eingerichtet werden.
- Mehr Medien- und Internetkompetenz in den Lehrplan und freie Internetzugänge mittels WLAN an Schulen
- Ausbau der Schulsozialarbeit und des inklusiven Unterrichts
- die Abschaffung der neuen Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land und der Bundeswehr, wodurch diese nicht mehr an Schulen werben darf
- das Verbot von Sponsoring durch Unternehmen an Schulen
- Lernmittelfreiheit in Schulen, Berufsschulen und Hochschulen
Ein Bildungssystem der Zukunft beinhaltet aber auch eine Demokratisierung der Hochschulen und Ausbildungsstätten. Auszubildende und Studierende müssen die Möglichkeit haben mitzugestalten und brauchen eine finanzielle Absicherung. Daher wollen wir angemessene Entlohnung für Auszubildende und Praktikant*innen, sowie elternunabhängiges BaföG.
Außerdem fordern wir:
- RLP soll sich auf Bundesebene für die Ausbildungsplatzumlage und Ausbildungsplatzgarantie stark machen
- die generelle Abschaffung der Anwesenheitspflichten an Hochschulen, um diversen Lebensentwürfen gerecht zu werden
- sichere Master-Plätze für alle Bachelor-Absolvent*innen
- Keine Gebühren auf das Zweitstudium und für Langzeitstudent*innen
Bürger*innenrechte: Demokratie leben
Um Zukunft mitzugestalten, braucht auch die Jugend eine Stimme. Jegliche Altersgrenzen beim Wahlrecht sind willkürlich! Daher fordern wir die Abschaffung von Wahlaltergrenzen. Als konkret spürbare und schnell zu realisierende Verbesserung des momentanen Wahlsystems müssen Wahlaltergrenzen auf 14 Jahre abgesenkt werden. Wir fordern außerdem die Stärkung von eigenständigen, fraktions- und parteiunabhängigen Jugendgemeinderäten mit Einwirkungsmöglichkeiten in die Stadtpolitik.
Der Erhalt und der Ausbau von Bürger*innenrechten ist eines unserer zentralen Anliegen, wir wollen die Rechte der Menschen gegenüber dem Staat ausbauen und die Demokratie stärken. Wir stehen für eine Zukunft, die nicht nur ökonomische Verwertung oder staatliche Kontrollinteressen im Auge hat, sondern die Freiheit und Rechte der Bevölkerung ins Zentrum stellt. Deshalb ist der Zugang zu Medien und Informationen in jeder Hinsicht (barriere-)frei zu gewährleisten. Medienkompetenz, informationelle Selbstbestimmung, umfassender Daten- und Verbraucherschutz, Urheberrechte, Freiheit und Verantwortung im Internet sind die Grundlagen für eine demokratische digitale Zukunft. Unbegründete Speicherung personenbezogener Daten lehnen wir strikt ab. Wir stehen für eine Ausweitung (direkt-)demokratischer Beteiligungsmöglichkeiten, wie etwa die Absenkung der Hürden für Volksentscheide in Rheinland-Pfalz. Auch das Transparenzgesetz wollen wir weiter ausbauen und fordern beispielsweise dessen Gültigkeit für die Hochschulen im Land. Die GRÜNE JUGEND RHEINLAND-PFALZ stellt sich gegen eine Ausweitung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum. So lehnen wir beispielsweise die flächendeckende Einführung von Body-Cams bei Polizist*innen in Rheinland-Pfalz ab.
Energiewende und Klimaschutz: Unsere Energie, erneuerbar und dezentral
Der Klimawandel ist eine der größten Bedrohungen der Menschheit und der Umwelt und stellt uns vor enorme Herausforderungen. Verursacht durch die wachstums- und konsumfixierte Lebensweise der Menschen im Globalen Norden, zerstört er bereits heute unsere eigenen Lebensgrundlagen. Damit ist die Klimakrise schon jetzt real und sind erst bestimmte Kipppunkte überschritten, gibt es kein Zurück mehr, mit unbeherrschbaren Auswirkungen. Vor allem die Menschen im Globalen Süden sind betroffen, was schon jetzt zu massenhafter Klimaflucht führt. Überschwemmungen, Dürren und Verteilungskämpfe zwingen Millionen von Menschen schon jetzt jährlich, ihre Heimat zu verlassen. Wir brauchen ein Umdenken in allen gesellschaftlichen Bereichen, denn mit unseren derzeitigen Produktions- und Konsummustern sind gesteckte Klimaziele nicht mehr zu erreichen. Dazu müssen wir uns einerseits einschränken, was den Luxus verschwenderischen Konsums angeht – und andererseits unsere technologischen und wissenschaftlichen Investitionen konsequent auf Nachhaltigkeit umstellen. Wir streben eine CO2-neutrale Gesellschaft an, die ganz ohne das Verbrennen fossiler Rohstoffe auskommt.Neben nachhaltiger Landwirtschaft und Mobilität spielt die Umstellung auf dezentrale, regenerative und umweltfreundlichere Energiequellen eine zentrale Rolle für einen konsequenten Klimaschutz. Dafür möchten wir die Energiewende in Rheinland-Pfalz und auch weltweit vorantreiben. Ob der Wind in den Mittelgebirgsregionen Hunsrück und Westerwald, oder die Sonne an Rhein und Mosel – uns bieten sich beste Voraussetzungen für regenerative Energiegewinnung.
Wir fordern:
- die Reduzierung der Treibhausgase um 90% gegenüber 1990 bis 2050
- den weiteren dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strom- und Wärmebereich mit den Zielen 100% Erneuerbare Energien im Strom bis spätestens 2030 und in der Wärme bis spätestens 2040
- Die Planung eines Kohleausstiegs und die kritische Begleitung des Atomausstiegs auf Bundesebene
Grünes Licht für nachhaltige Mobilität und Infrastruktur
Mobilität ist ein essentielles Gut in unserer heutigen Gesellschaft. Für eine effiziente, umweltfreundliche und barrierefreie Mobilität ist ein starker ÖPNV in Rheinland-Pfalz notwendiger denn je. Viel zu lange wurde auf motorisierten Individualverkehr, statt auf den ÖPNV, das Rad oder Alternativen wie Carsharing, kommunale Mitfahrbörsen oder Bürger*innenbus-Projekte gesetzt. Nicht der Autoverkehr sollte Vorrang haben, sondern ÖPNV, Radverkehr und Fußgänger*innen.
Wir fordern eine Verkehrswende hin zu nachhaltiger Mobilität, dafür braucht es:
- einen gemeinschaftlich finanzierten Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV), der für alle gleichermaßen ohne Ticket nutzbar ist. Als ersten Schritt unterstützen wir die Forderung nach einem landesweiten Semesterticket für Studis, Schülis und Azubis sowie Jobtickets für alle Angestellten im öffentlichen Dienst. Der ÖPNV muss zum Pflichtbestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge werden.
- die Möglichkeit, auf kommunaler Ebene einen „ÖPNV-Beitrag“ zur verbesserten Finanzierung erheben zu können, als ersten Schritt auf dem Weg zum gemeinschaftlich finanzierten ÖPNV und zur Angebotsverbesserung.
- einen (massiven) flächendeckenden Ausbau eines intelligent vernetzten ÖPNV mit Verdichtung des Taktfahrplans, sowie Steckdosen und freies WLAN in Regionalzügen zur Attraktivitätssteigerung. Der erfolgreiche Rheinland-Pfalz-Takt muss weiterentwickelt werden, Anschlussverbindungen durch verbesserte Kommunikation zuverlässiger gemacht werden und weitere Strecken reaktiviert werden.
- die Elektrifizierung von Bahnstrecken und deren Betrieb mit 100% erneuerbaren Energien. Der ÖPNV muss im Fokus von Elektromobilität liegen.
- einen besseren Anschluss von ländlichen Regionen an den öffentlichen Verkehr.
- Vorrang von Instandhaltungsmaßnahmen vor neuen Infrastrukturprojekten beim Straßenbau, dabei soll vor einer größeren Sanierung immer auch die Möglichkeit des Rückbaus oder Umbaus z.B. zu einem Rad(schnell)weg geprüft werden.
- die Schaffung von autofreien Innenstädten und Stadtteilzentren. Der motorisierte Individualverkehr muss drastisch zurückgefahren werden.
- einen massiven Ausbau und eine Verbesserung der Fahrradinfrastruktur und Vorrang für das Rad auf der Straße. Außerdem fordern wir, rote Ampeln für den Radverkehr freizugeben, sodass sie für den Radverkehr nur noch als „Vorfahrt achten“ oder Stoppschild gelten. Grüne Welle für nachhaltige Mobilität!
- die sozialverträgliche Schließung und Konversion von Regionalflughäfen, wie Hahn oder Zweibrücken.
- Den Umbau von Autoparkplätzen zu Fahrradparkplätzen oder einfach nur Parks.
- Tempolimits auf Autobahnen statt dem Bau weiterer Fahrspuren
- die Abschaffung der Unterteilung in 1./2. Klasse im ÖPNV
Zu einer guten Infrastruktur gehört für uns auch die konsequente Weiterführung des Breitbandausbaus, damit jede*r in Rheinland-Pfalz Zugang zu schnellem Internet hat. Wir setzen uns außerdem für die Förderung von Freifunkinitiativen durch das Land Rheinland-Pfalz ein.
Zukunft leben: Drogen legalisieren!
Die Grüne Jugend Rheinland- Pfalz steht für ein Ende der repressiven Drogenpolitik. Drogenkonsument*innen müssen eine Entkriminalisierung erfahren, Schwarzmärkte zerschlagen werden und Abhängige durch den Ausbau von Hilfprogrammen vor einem Ausschluss aus der Gesellschaft bewahrt werden. Gleichzeitig erleichtert eine Legalisierung die Nutzung von Drogen im medizinischen Bereich.
Deshalb fordern wir:
- die Legalisierung aller Drogen und deren Verkauf nur noch in speziellen Drogenfachgeschäften mit geschultem Personal. Dazu gehören ebenfalls Alkohol und Nikotin, die aus den Supermarktregalen verbannt werden müssen.
- ein absolutes Werbeverbot für alle Drogen, sowie eine Intensivierung der Aufklärung über Wirkung und Folgen des Drogenkonsums. Durch Einsparungen in der Strafverfolgung sowie steuerliche Einnahmen sollen der Ausbau von Hilfsprogrammen und mehr Sozialarbeiter*innen finanziert werden
- eine Reformierung und Anpassung des Suchtmittelgesetzes, sowie ein Cannabis-Reinheitsgebot. Regelmäßige Kontrollen müssen die Einhaltung der Gesetze sicherstellen.
Landespolitik ist auch Welthandelspolitik: Für einen fairen Welthandel
Derzeit werden verschiedene bilaterale Handelsabkommen auf europäischer Ebene verhandelt, die jedoch bis auf die kommunale Ebene Auswirkungen haben werden. Die Grüne Jugend und die Grüne Partei steht seither für einen fairen, demokratischen und verantwortungsbewussten Handel ein und stellt sich somit auch gegen den intransparenten, undemokratischen, freien Handel. Die Abkommen TTIP, CETA und TiSA werden in den kommenden Jahren höchstwahrscheinlich auch im Bundesrat zur Abstimmung gestellt. Als Grüne in Rheinland Pfalz werden wir es nicht zulassen, dass die sozialen und ökologischen Standards durch Handelsabkommen abgesenkt werden und setzten uns in den kommenden Jahren dafür ein, dass die Verhandlungen abgebrochen werden und der Welthandel auf multilateraler Ebene verhandelt wird. Wir fordern die Grünen ebenso dazu auf bei einer möglichen Abstimmung im Bundesrat mit Nein zu stimmen.
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