8. Februar 2017

Bildungsgerechtigkeit endlich realisieren



Beschlossen auf der 58. Landesmitgliederversammlung in Koblenz, 27.11.2017

Die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz sieht Bildung als wichtigste Ressource des Landes an. Fast eine Million Menschen in Rheinland-Pfalz sind unter 25 Jahre. Die finanzielle Situation vieler Bildungseinrichtungen ist in Hinblick auf diese große Zahl junger Menschen desaströs. Es braucht Investitionen und neue Ideen um den Bildungssektor zukunftsfest zu machen. Man darf nicht an längst überholten Konzepten festhalten oder auf Kosten der Jugend sparen. Unsere Gesellschaft entwickelt sich stetig weiter, doch das Bildungssystem scheint in Einfallslosigkeit und Desinteresse eingefroren.

1. Schule der Zukunft statt Schule des 19. Jahrhunderts
Für viele Schüler gehören leider Stress und fehlende Freizeit genauso zur Schule wie einsturzgefährdete Gebäude und nicht aussagekräftige Bewertungsversuche.
Unser Schulsystem verfolgt die gleichen Konzepte wie vor 100 Jahren und hat eine Reform dringend nötig. Schule muss für Jugendliche endlich wieder zum Ort des Entdeckens und der Freude sein. Hierzu gehören nicht nur ausreichende finanzielle Mittel, sondern auch eine neue Konzeption des Unterrichts.
Schüler sollten gemeinsam im Klassenverband lernen und dabei individuelle Lernziele verfolgen. Ein Konzept, das diese Vorstellungen umsetzen könnte, wäre die „Schule für alle.“ Unser Schulsystem ist höchstgradig selektiv und trennt Schüler nach Alter, angeblicher Leistungsstärke und sogar teilweise nach dem Geschlecht! Neben dem dreigliedrigen Schulsystem findet darüber hinaus jedoch noch weitere Selektion in so genannten „Förderschulen“ statt. Diese haben den Auftrag Schüler mit Einschränkungen besonders zu fördern. Hiermit entgeht den Schülern, die diese Schule besuchen, leider jegliche Chance ein vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft zu werden, da sie schon früh von anderen Schülern isoliert werden.Leider führt dies zur Schaffung von Parallelgesellschaften. Die zur weiteren Separierung in Tagesförderstätten und Behindertenwerkstätten gipfeln. Doch die besondere Förderung von Schülern mit Förderungsbedarf, sei es körperlich oder geistig, ist auch in einer Schule für alle möglich. Das tolle daran ist, dass nicht nur Schüler gefördert werden, die etwas schwächer in der Schule sind, sondern auch vor allem die die besondere Talente aufweisen. Diese können ganz individuell gefördert werden und vorallem schwächeren Schülern helfen. Durch die Präsenz und die gemeinsame Arbeit mit Schülern von Förderschulen ensteht somit auch eine gewisse Sensibilität. Individuelle Förderung statt selektieren! Von der Kita bis zur Uni sollen Kinder und Jugendliche zusammen Bildung erfahren. Wer braucht bekommt Integrationshelfer, die aus echten Fachkräften und nicht günstigen Freiwilligendienstleistenden bestehen. Nur so kann eine inklusive Gesellschaft entstehen, in der niemand außen vor ist. Mit kleineren Klassen und individueller Förderung ist dies möglich. Lässt man die finanziellen Mittel der Förderschulen in ein Schulsystem der Gesamtschulen einfließen, kann Inklusion auch funktionieren. Die aktuelle Form der stückenweisen Inklusion von Menschen mit Behinderung in überfüllte Klassen mit überforderten Lehrpersonal ist zum Scheitern verurteilt.

Moderne Lehrmethoden&Abschaffung des veralteten Lehrsystems
Nicht aussagekräftige Noten sind nicht nur unnötig, sie setzen Schülerinnen und Schüler auch noch unnötig unter Druck und verhindern einen positiven Lehrerfolg.
Das Problem ist, dass man darauf getrimmt ist für die Note zu lernen und nicht für den eigentlichen Stoff. Das hat zum Effekt, dass der Großteil des Gelernten oft nicht länger als eine Woche im Gedächtnis des Schülers verweilt. Denn wichtig ist, dass am Ende des Jahres die gewünschte Note auf dem Zeugnis steht. Noten versuchen pathetisch und erfolglos Individuelles vergleichbar zu machen. Das Problem, dass unsere Schulen haben, ist dass sie nicht darauf hinzielen, mündige, selbstbewusste und kritische Bürger zu erziehen, sondern verwertbares Humankapitel für den Wirtschaftsmarkt, das sich in Notenschnitten sortiert. Die Vermittlung des Stoffes stellt ebenfalls ein Desaster dar. Reiner Frontalunterricht gilt längst als Steinzeitdidaktik. Es ist wichtig Abwechslung in den Unterricht zu bringen und Schüler mehr im Unterricht partiziperen zu lassen, als sie nur ihren Arm heben zu lassen. Wenn Schülerinnen und Schüler Zusammenhänge selbst erschließen und erforschen – dann macht Unterricht Spaß und begeistert. Es muss den Schülern mehr Freiraum eingeräumt werden, anstatt sie vor einen fertig gedeckten Tisch von Wissen zu setzen und sie aufzufordern alles in sich hineinzustopfen, nur um es Tage später wieder „auszuspucken“. Daher benötigen wir Unterricht in Form von Projekten und qualitativ durchgeführten Gruppenarbeiten. Um eine Alternative oder gar Abschaffung unseres aktuellen Bewertungssystems, muss sich ebenfalls gekümmert werden. Bildung muss nachhaltig sein und der Schulbesuch sich lohnen!

Investieren in Steine und Köpfe
Es bedarf großer Investitionen der Kommunen in die Schulen. So herrscht in den meisten Gemeinden und Städten ein riesiger Investitionssstau. Herunterfliegende Deckenplatten, 30 Jahre alte Toiletten,offen liegende Kabel oder mangelhafter Brandschutz, Schüler haben an ihrem Arbeitsplatz Zustände zu ertragen, die den meisten Arbeitnehmer*innen längst nicht mehr zumutbar wären. Wir fordern das Land auf ein umfassendes Investitionspaket zu schnüren, um die Schulen endlich auch baulich in das 21. Jahrhundert zu versetzen.

Digitalisierung
Das fit machen der Schulen für die Gegenwart, darf allerdings bei den Gebäuden nicht aufhören. Auch die Ausstattung der Schulen muss dringend verbessert werden. So fordern wir ab Klasse 5 Informatikunterricht als Pflichtfach. Dazu gehört das bereitstellen eines Raspberry Pi oder ähnlichen Lerncomputers, um auch die Funktionsweisen eines Computer lebensnah beizubringen. Um einen digitalen Unterricht zu gewährleisten, sollten Wlan Hotspots und Smartboards zum Standard in jeden Klassenzimmer gehören.

Demokratisierung von Schulen
Demokratieerziehung ist ein wichtiger Faktor, der in der Schule leider kläglich vernachlässigt wird. Schülervertretungen sind in einer unfassbar undemokratischen Stimmenverteilung in der Gesamtkonferenz klar unterbesetzt und daher sichtlich im Nachteil. Diese Pseudodemokratie, die Schülerinnen und Schülern vorgespielt wird muss ein Ende haben! Richtig wäre hier, um die SV-Arbeit zu stärken, eine demokratische Drittelparität zwischen Eltern- und Schülervertretern und Lehrkräften aufzustellen.

2. Ausbildung
Über 1,4 Millionen junge Menschen in Deutschland sind in einer betrieblichen Ausbildung. Die Gruppe der Auszubildenden stellt einen großen Posten auf dem Arbeitsmarkt dar. Leider wurde bei Einführung des Mindestlohns
diese Gruppe übergangen und viele junge Menschen arbeiten für Stundenlöhne deutlich unter 8€. Dies führt für viele zu einem Leben am Rande des Existenzminimums und in der Folge zur massiven Unterstützung des Staates.
Daher fordern wir das Land Rheinland-Pfalz auf sich im Bundesrat für eine
gesetzliche Mindestausbildungsvergütung stark zu machen. Desweiteren fordern die wir die konsequente Einhaltung von Jugendarbeitsschutzgesetzen, welche leider all zu oft nur belächelt und übergangen werden. Jugendliche sind keine normalen Arbeitnehmer und verdienen besonderen Schutz. Der Staat hat für die Durchsetzung diesens Sorge zu tragen. Hierbei fordern wir auch eine Stärkung der Jugend- und Auszubildendenvertretungen.

Schulische Ausbildung erleichtern, duale Ausbildung erweitern
Viele Berufe werden derzeit noch in rein schulischer Ausbildung erlernt, was in den meisten
Fällen mit hohen kosten verbunden ist. Die vorhandenen Schulgebühren wollen wir daher
abschaffen und weitere Förderungen, wie beispielsweise ein elternunabhängiges und nicht
zurückzuzahlenden Bafögs.

Da in rein schulischen Ausbildungen die Praxis allerdings auf der Strecke bleibt, setzen wir uns
verstärkt für die Förderung und Ausweitung von dualen Ausbildungen ein. Hierfür fordern wir
beispielsweise eine Förderung von Betrieben, die gerne ausbilden würden, sich das aber nicht
leisten können. Außerdem wollen wir die Förderung von Azubis, welche während
Berufsschulblöcken auf Lehrlingsherbergen angewiesen sind, erweitern und ausbauen.

3. Uni für alle, anstatt für Eliten!
Wir fordern ein Zulassungsfreies Studium jeder Art. Um das Prinzip des „Lebenslangen Lernens“ für alle erreichbar zu machen, lehnen wir Studiengebühren sowohl für Langzeitstudent*innen als auch für
ein Zweitstudium ab. Neben des Studiums müssen Student*innen arbeiten, sind ehrenamtlich aktiv oder haben bereits eine Kind und Familie.
Damit wir diesen Lebensentwürfen gerecht geworden werden, fordern wir das Ende der Anwesenheitspflicht an Hochschulen sowie die Abschaffung der Regelstudienzeiten und eine Verlängerungder Bafög-Bezugsdauer, mit mehr Ausnahmeregelgungen. Da nach der Bolognareform ein Bachelor in vielen Fächern nicht ausreicht um gute Jobaussichten zu erlangen, fordern wir eine Masterstudienplätz-Garantie für alle Bachelorabsolvent*innen. Wer das Bachelorstudium abschließt soll die Möglichkeit gegeben werden, unabhängig vom NC weiterstudieren zu können

Ziel ist es eine Hochschule zu schaffen, an der jeder die Möglichkeit hat zu lernen und sich zu entfalten.
Wir fordern daher auch elternunabhängiges Bafög, damit man wirklich studieren kann und darf was man möchte und dabei nicht vom Elternhaus abhängig ist.
Alle abgeschlossene Berufsausbildungen sollten, wie das Abitur, den Zugang zu einem Studium möglich machen.

Freie Forschung für freie Üniversitäten. Die Freiheit der Forschung ist hohes Gut. Damit dieses Gut erhalten bleiben kann, braucht es eine gute Finanzierung.
Universitäten sind bedauerlichweise unterfinanziert, die Folgen sieht man deutlich an der Universität Mainz, bei der heruntergekommene Gebäude , neben welchen von einer großen Pharmafirma finanzierten Gebäuden das Bild prägen.
Als Gegenleistung wurde offensichtlich Einfluss auf Forschung genommen.
Um die Freiheit der Wissenschaft und Forschung zu gewährleisten, müssen Universitäten genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um unabhängig von Interessen Dritter arbeiten zu können, wie das jüngste Beispiel in Mainz gezeigt hat.
Mit Sorge nehmen wir zur Kenntnis, dass immer mehr Universitäten eine Diagnose auf Attesten bei Prüfungsunfähigkeit verlangen. Medizinische Diagnosen gehen jedoch nur Arzt und Patienten etwas an. Wir fordern das Land auf, sich für das Ende dieser Praxis einzusetzen, die bei Arbeitnehmern niemals toleriert werden würde.

4. Bildungsgerechtigkeit unabhängig vom Geldbeutel der Eltern!
Für die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz ist kostenlose Bildung Pflicht in einer aufgeklärten Gesellschaft, denn Bildung darf keine Frage des Geldbeutels der Eltern sein, dies fängt bei der beitragsfreien Kita an, weiter zu kostenlosen Schulbuchausleihe, hin zum kostenfreien Studium! Mit unserer Förderung zum Mindestlohn für Auszubildende sehen wir hier auch in der beruflichen Bildung ein gutes Mittel. Auch ein Meisterbafög spielt bei kostenfreier Bildung eine wichtige Rolle. Zusätzlich fordert die GJ RLP kostenlose Techniker- und Meisterkurse.

Zur finanziellen Ungerechtigkeit trägt auch das Schulsystem bei, in dem kostenpflichtige Nachhilfe immer selbstverständlicher wird. Statt verpflichtender Hausaufgaben und anschließendem „Abarbeiten“ am nächsten Tag fordern wir die Förderung freiwilliger Vertiefungsaufgaben zur Bearbeitung zuhause oder in Lerngruppen. Für diese Aufgaben soll es regelmäßige Besprechungsstunden zur Klärung offener Fragen geben.
Leider spielen Fahrtkosten für den ÖPNV in der Oberstufe eine wichtige Rolle, für uns ist es unerlässlich, dass auch diese finanziell vom Staat subventioniert werden und keine Kosten von bis zu 60€ im Monat pro Kind auf Eltern bzw. junge Erwachsene zukommen.



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