12. Dezember 2015

Grundrecht auf Asyl ist nicht verhandelbar



Beschlossen auf der 55. Landesmitgliederversammlung in Ramstein-Miesenbach, 04.10.2015

Mehr als doppelt so viele Geflüchtete wie es das Bundesinnenministerium Anfang des Jahres vorausgesagt hatte, werden dieses Jahr nach Deutschland kommen. Obwohl durch den Krieg im Nahen Osten und vor allem in Syrien schon absehbar war, dass sich weitaus mehr Geflüchtete auf dem Weg nach Europa und Deutschland machen, hat die Bundesregierung viel zu lange nicht gehandelt. Nun fehlt es nicht nur an Platz in Erstaufnahmeeinrichtungen, an Unterkünften, an Betten, Nahrung, Dolmetscher*innen und Sozialarbeiter*innen und medizinischer Versorgung, sondern auch schlicht an Geld, gerade für die ohnehin überschuldeten Kommunen und Länder. Als GRÜNE JUGEND RHEINLAND-PFALZ sind wir uns der Herausforderung bewusst, die Geflüchteten menschenwürdig zu versorgen und zu inkludieren und sehen darin eine der bedeutendsten Aufgaben, welcher die Politik in den kommenden Jahrzehnten gegenüber steht. Als GRÜNE JUGEND unterstützen wir alle Bemühungen der Länder und Kommunen, menschenwürdige Politik durchzusetzen und die Bedingungen für geflüchtete Menschen zu verbessern. Wer helfen will, muss die bei Ländern und Kommunen anfallenden Kosten übernehmen. Dazu zeigt die Bundesregierung bisher keinen Willen. Sie nutzt die Unterfinanzierung vieler Länder und Kommunen aus, indem sie die Aussicht auf die notwendigen Gelder an die Durchsetzung von Asylrechtsverschärfungen koppelt. Wir fordern GRÜNE auf, bei so einer Erpressungspolitik nicht mitzumachen.

Das beim Bund-Länder-Flüchtlingsgipfel ausgehandelte Maßnahmenpaket trägt an vielen Stellen die Handschrift von CDU und CSU, die auf Abschreckung und Ausgrenzung setzen. Nötig wäre stattdessen, das unsägliche Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen, damit Geflüchtete direkten Zugang zu Sozialleistungen haben. Die Zeit in den Aufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende muss möglichst kurz sein – statt sie auf sechs Monate auszuweiten – und die Kommunen müssen dauerhaft finanziell entlastet werden. Vor allem aber gilt: Das Recht auf Asyl ist ein unverrückbares, individuelles Grundrecht. Es darf nicht zwischen „guten Flüchtlingen“ und „Wirtschaftsflüchtlingen“ unterschieden werden. Deshalb müssen die Regelungen zu sicheren Herkunftsstaaten abgeschafft und nicht ausgeweitet werden. Die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten ist nicht mehr als bloße Symbolpolitik gegen Geflüchtete. Wir lehnen das Konstrukt der „sicheren Herkunftsstaaten“ und jede Erweiterung dieser Liste entschieden ab. Gerade die von der Bundesregierung gewollte Aufnahme des Staates Kosovo in diese Liste zeigt die Absurdität dieses Konstrukts besonders deutlich. Der Kosovo ist ein bis heute noch nicht von allen Mitgliedsstaaten der EU anerkannter Staat. Darüber hinaus sind noch immer knapp 700 Bundeswehrsoldat*innen im Kosovo stationiert. Dieses Land gleichzeitig als „sicher“ zu bezeichnen ist zynisch.

Keine Zustimmung von Rheinland-Pfalz im Bundesrat!

Selbstverständlich sind in einer Koalition Kompromisse nötig. Doch wir sagen klar: Keine Kompromisse bei Grundrechten! Das Grundrecht auf Asyl ist für uns nicht verhandelbar, unabhängig von allen real- oder koalitionspolitischen Zwängen, in denen sich die rheinland-pfälzische GRÜNE Landtagsfraktion und GRÜNE Regierungsmitglieder befinden. Bei dieser Frage geht es um ein Grund- und Menschenrecht, weshalb hier aus Sicht der GRÜNEN JUGEND RHEINLAND-PFALZ kein einfacher Kompromiss, wie bei anderen politischen Sachfragen, abgeschlossen werden kann.
Zwar sind auch positive Maßnahmen in dem Asylpaket enthalten, die GRÜNE schon lange fordern, aber die weitere Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl durch die Ausweitung der so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“, den Ersatz von Geldleistungen durch Sachleistungen sowie der längere Verbleib in den Erstaufnahmeeinrichtungen sind Grund genug diesem Paket die Zustimmung zu verweigern. Der geplante Ersatz von Geldleistungen durch Sachleistungen in Erstaufnahmeeinrichtungen ist eine diskriminierende Maßnahme gegen Geflüchtete, die ihnen ihr Selbstbestimmungsrecht abspricht und Ressentiments bedient. Genauso diskriminierend ist die geplante Kürzung der Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz für Geflüchtete, die über andere EU-Staaten nach Deutschland eingereist sind und deren Asylantrag nach dem gescheiterten Dublin-III-System in dem Land gestellt werden müsste, wo sie zuerst die EU erreicht haben. Das Absenken der Sozialleistungen unter das soziokulturelle Existenzminimum ist verfassungswidrig – urteilte doch 2012 das Bundesverfassungsgericht, dass migrationspolitische Erwägungen die Gewährung des Existenzminimums nicht beeinflussen dürfen.

Natürlich würden in Rheinland-Pfalz einige Grausamkeiten des Pakets (wie etwa Sachleistungen oder der lange Verbleib in den Erstaufnahmeeinrichtungen) gar nicht umgesetzt werden (können). Aber einem Paket, das die Unionsparteien öffentlich als härteste Verschärfung des Asylrechts seit den 1990er Jahren feiern, können GRÜNE nicht zustimmen. Der Rat für Migration, die Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Menschenrechtsorganisationen und weitere mit Flüchtlingsarbeit und Asylrecht befasste Akteure der Zivilgesellschaft lehnen das Paket ab. Eine Zustimmung der rot- grünen rheinland-pfälzischen Landesregierung zu diesem Asylrechtsverschärfungspaket der Bundesregierung im Bundesrat wäre den Mitgliedern der GRÜNEN JUGEND RHEINLAND-PFALZ kaum vermittelbar. So kurz vor einem wichtigen Wahlkampf können die GRÜNE Regierungsfraktion und die GRÜNEN Regierungsmitglieder den GRÜNEN Aktivist*innen im Land einen solchen Kompromiss nicht zumuten. Im Wahlkampf braucht BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN RHEINLAND-PFALZ eine bis in die Haarspitzen motivierte GRÜNE JUGEND, hierfür wäre eine Zustimmung von Rheinland-Pfalz zum Asylpaket keine gute Grundlage. Die GRÜNE Bewegung war immer die, die sich für Geflüchtete eingesetzt und uneingeschränkte Solidarität mit Menschen geübt hat, die vor Krieg, Vertreibung und Diskriminierung flüchten mussten. Dieser Status darf in Rheinland-Pfalz im Herbst 2015 keine Kratzer bekommen.

Erst beim Kleinen Parteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN RHEINLAND-PFALZ am 12. September 2015 in Kaiserslautern hat die GRÜNE Landespartei mit einem Beschluss die Ausweitung sicherer Herkunftsländer nahezu einstimmig abgelehnt. Diesen Beschluss begrüßen wir und erwarten, dass er nun im Abstimmungsverhalten der GRÜNEN Regierungsmitglieder im Bundesrat Niederschlag findet. Genauso wie auf Landesebene ist auch auf Bundesebene die Beschlusslage der GRÜNEN JUGEND und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eindeutig: Keine weitere Ausweitung der sicheren Herkunftsländer – so hat es beispielsweise erst die altgrüne BDK im November 2014 beschlossen. GRÜNE sollten sich an diesem asylpolitischen Grundsatz der Partei und ihrer Jugendorganisation auf allen Ebenen orientieren.

Die GRÜNE JUGEND RHEINLAND-PFALZ fordert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN RHEINLAND-PFALZ, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN IM LANDTAG RHEINLAND-PFALZ sowie die GRÜNEN Mitglieder der Landesregierung dazu auf, sich gegen eine Zustimmung des Landes Rheinland-Pfalz zum Bund-Länder-Asylpaket im Bundesrat einzusetzen und den geplanten Asylrechtsverschärfungen die Zustimmung zu verweigern. Keine Kompromisse bei Grundrechten!



← zurück