30. März 2010

(Hoch)Schule demokratisieren!



beschlossen auf der 40. Landesmitgliederversammlung in Lahnstein

Demokratisierung von Schule

Demokratisches Verhalten, die Lust am Mitwirken und Mitbestimmen soll bereits im Kindes- und Jugendalter erlernt werden. Die Schulen müssen deshalb endlich aufhören, auf reine Inhaltsvermittlung zu setzen. Stattdessen brauchen wir Schulen, die das Lebensgefühl der Demokratie und demokratische Fähigkeiten vermitteln. Und das geht am besten, indem die Schule selbst zu einer demokratischen Einrichtung wird. Voraussetzung für eine demokratische Schule ist ein neuer Bildungsbegriff. Lernen in der Demokratie bedeutet nicht, mit Zwangsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass alle ein standardisiertes Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer schematisierten Form wiedergeben können.

Der Unterricht darf nicht nur im Frontalunterricht bestehen. Es soll von den Schüler-Innen selbst entschieden werden wie sie lernen wollen. Demokratische Schulen setzen voraus, dass SchülerInnen sich selbst in ihrem eigenen Lernprozess Bildung aneignen. Alleine und in Gruppen, mit Unterstützung von fachlich und pädagogisch qualifizierten Fachkräften.

Auch die Notengebung und das Sitzenbleiben lehnt die GRÜNE JUGEND ab. Durch Noten und Sitzenbleiben wird eine Machtposition der LehrerInnen gestärkt, die Angst und Anpassungsdruck hervorruft. Wir setzen uns dafür ein, dass zur Bewertung des Lernerfolgs der SchülerInnen künftig statt der Ziffernnoten nur noch Lernberichte geschrieben werden, in die auch ehrenamtliches Engagement mit einfließt. Auch die LehrerInnen sollen bewertet werden, um eine realistische Rückmeldung zur Verbesserung ihrer Arbeit zu erhalten. Als ersten Schritt fordern wir die Verpflichtung zur Erstellung eines Lernberichts in Kombination mit der Notengebung an Hochschulen. Dies soll schnellstmöglich eine höhere Transparenz bei der Leistungsbewertung an Hochschulen gewährleisten

In den Schulen müssen die SchülerInnenvertretungen (SV) gestärkt, mit Aufgaben der Selbstverwaltung beauftragt und mit einem ausreichenden Budget für ihre Tätigkeit versehen werden. Die SVen müssen als Repräsentantinnen der SchülerInnen in allen für diese wichtigen Themengebieten aktiv werden können. Es muss daher ein Recht der SVen geben, sich als politische Vertretung der SchülerInnen nicht nur zu bildungspolitischen Themen zu äußern. SchülerInnenzeitungen sind ein wichtiges Medium der Meinungsbildung in Schulen. Sie werden von offenen und demokratisch arbeitenden Redaktionen gestaltet und erhalten ein eigenes Budget.
Als wichtigsten Punkt sehen wir allerdings die Demokratisierung aller Entscheidungsprozesse an. Alle grundsätzlichen Fragen des schulischen Lebens – von der Gestaltung des Schulhofs bis zu allgemein gültigen Regeln eines verträglichen Miteinanders sollen von der Vollversammlung entschieden werden, in der jedes Schulmitglied eine Stimme hat. Daneben soll es eine Schulkonferenz geben, die von der Vollversammlung gewählt wird. Diese entscheidet in allen Fragen, die ihr von der Vollversammlung übertragen werden, wählt das Leitungskollegium der schulischen Selbstverwaltung und bereitet die Vollversammlungen vor. Entscheidungen die nur eine bestimmte Gruppe betreffen können von dieser, unabhängig von der Vollversammlung, selbst getroffen werden.
Auch sollte demokratische Erziehung nicht erst in der Schule beginnen, sondern vom Kindergarten an vermittelt werden. Schon hier können Kinder im Alltag Entscheidungen über ihren Tagesablauf treffen und so individuelle Interessen artikulieren und mit Demokratie als Methode vertraut gemacht werden.

Demokratisierung von Hochschule

Anders als in den Schulen konnten bei der Demokratisierung der Hochschulen erhebliche Erfolge erzielt werden. Es gibt in den meisten Bundesländern studentische Selbstverwal-tungen mit großen Handlungsspielräumen. In sämtlichen Gremien der Selbstverwaltung sind Studierende, Lehrende, Lernende und wissenschaftsstützendes Personal stimmberechtigt beteiligt.
Allerdings setzten mehrere Gerichte einer fortschreitenden Demokratisierung enge Grenzen: Aus der Freiheit der Forschung und Lehre folgert das Bundesverfassungsgericht vor Allem ein Freiheitsrecht der ProfessorInnen und fordert, dass diese relativ kleine Gruppe innerhalb der Hochschulen bei allen wichtigen Entscheidungen eine Mehrheit der Stimmen haben muss. Anstatt mutige Konzepte zur Demokratisierung der Hochschulen zu entwerfen, müssen die demokratischen Kräfte an den Hochschulen derzeit einen Abwehrkampf gegen eine hemmungslose Entdemokratisierung führen. Demokratisch gewählte Gremien werden zunehmend entmachtet, um „effizientere Entscheidungsstrukturen“ durch eine Stärkung der Hochschulleitungen voranzubringen. Externe Hochschulräte, überwiegend besetzt durch betagte, männliche Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft werden eingesetzt, um den Hochschulleitungen die „strategische Richtung“ vorzugeben. Diese Aufsichtsräte der Hochschulen treffen die Auswahl der BewerberInnen für die Spitzen der Hochschulen und haben Vetorechte gegen Grundsatzentscheidungen der Selbstverwaltungsgremien. Studierende gelten so nicht mehr als Mitglieder der Hochschulen mit demokratischen Rechten, sondern zunehmend als (zahlende) KundInnen, die Bildungsdienstleistungen der Hochschulen abrufen.

Für eine weitere Demokratisierung der Hochschulen muss an die Freiheit der Forschung, der Lehre und des Studiums angeknüpft werden. Die Freiheit des Studiums ist in den meisten Hochschulgesetzen der Bundesländer, aber leider noch nicht im Grundgesetz verankert. Es ergänzt die Freiheit der Forschung und Lehre um ein weiteres notwendiges Element.

Die GRÜNE JUGEND fordert auch an den Hochschulen demokratische Strukturen. Die professorale Mehrheit in den Hochschulgremien muss aufgehoben werden. Alle wissen-schaftlichen Einrichtungen und jeder Fachbereich brauchen jeweils die Vollversammlung aller Beteiligten als höchstes beschlussfassendes Organ. Für die gesamte Hochschule übernimmt diese Funktion ebenfalls eine Vollversammlung aller Hochschulangehörigen oder ab einer bestimmten Größe auch eine Hochschulversammlung, die aus Delegierten gebildet wird.
Die Verwaltung der wissenschaftlichen Einrichtungen und der Fachbereiche wird von Leitungsgremien übernommen, die sich zur Hälfte aus Studierenden und zur Hälfte aus Lehrenden und sonstigem Personal zusammensetzen. Die Hochschulleitungen werden von allen Mitgliedern der Hochschule in einer freien Wahl mit gleichem Stimmrecht gewählt. Die Hochschulräte werden abgeschafft.
Außerdem muss die gesellschaftliche Verantwortung von Hochschulen gestärkt werden. Zentrale Aufgabe der Hochschulen ist, ein ausreichendes Angebot an Studienplätzen bereitzuhalten und so einen Beitrag zur Verwirklichung des Rechts auf freie Berufswahl zu leisten. Der Zugang zu Hochschulbildung muss für alle Menschen offen sein. Deshalb spricht sich die GRÜNE JUGEND entschieden gegen Studiengebühren aus. Auch Zugangsprüfungen und -beschränkungen lehnen wir ab.



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